Mein K?rper fühlt sich an als h?tte er eine elendig lange Nacht hinter sich. Es f?llt mir schwer einen klaren Gedanken zu fassen. Vielleicht w?re es das Beste, einfach noch ein wenig in der Dunkelheit liegen zu bleiben. Allerdings l?sst mich dieses l?stige Ger?usch einfach nicht zur Ruhe kommen. Es dauert einen Moment bevor ich realisiere, dass es sich dabei um lautes Weinen handelt. Schlagartig ?ffne ich die Augen und starre in die pechschwarze Dunkelheit. Wo zur H?lle bin ich? Waren wir nicht gerade auf den Weg aus der Stadt? Irritiert versuche ich aufzustehen, was h?rbar ein paar Steine zu Boden fallen l?sst. Das Weinen h?rt augenblicklich auf und wird zu einem leisen Wimmern. Ich befreie meinen Zauberstab aus dem Inventar und wirke einen Manabolzen.
Nachdem sich meine Augen an das grelle Licht gew?hnt haben, nehme ich als erstes wahr, dass ich mich in einer Art Tunnel befinde. Das Licht des Zaubers reicht nur wenige Meter weit. Gerade genug um den kleinen Jungen zu ersp?hen. Es ist jenes Kind, welches ich versucht habe zu beschützen. Der Junge erkennt mich ebenfalls wieder und l?sst seinen Emotionen erneut freien Lauf. Ich versuche aus meiner Situation schlau zu werden.
Greg hat uns alle gerade noch so vor Gragukhs Angriff gewarnt. Das n?chste an was ich mich erinnern kann, ist das Beben der Erde. Es fühlte sich so an, als würde der Boden unter unseren Fü?en anfangen zu schreien. Im n?chsten Moment merkte ich nur noch wie es mich pl?tzlich in die Tiefe zog. Ein Blick nach hinten offenbart eine Wand aus Ger?ll und Erde. Ich atme einmal durch und ?ffne meinen Status.
Wenigstens bezeugt mein Status, dass ich nur ein paar Kratzer abbekommen habe. Manchmal kann der gefühlte Zustand trügen. Innere Blutungung fallen einem in einer stressigen Situation vielleicht erst auf, wenn es zu sp?t ist. Als n?chstes gehe ich zu dem Jungen und versuche ihn zu beruhigen.
Ich kann verstehen das er Angst hat. Vor einigen Tagen war er noch Teil einer glücklichen Familie. Heute musste der vielleicht Sechsj?hrige mit ansehen, wie seine Eltern kaltblütig ermordet wurden. Zu allem überfluss befindet er sich jetzt auch noch an einem ihm unbekannten, stockdunklen Ort, mit einem Mann den er nicht kennt. Selbst Erwachsenen k?nnten man einen Gefühlsausbruch da kaum verübeln.
Ich habe keine Ahnung, wie man einem Kind in so einer Situation begegnen soll. Alles wird wieder gut? Du brauchst keine Angst haben? Diesen Mist glaube ich ja nicht einmal selber: “Mein Name ist Torben,” beginne ich mit ruhiger, fester Stimme. “Ich bin ein Magier und geh?re einer ziemlich bekannten Gruppe von Abenteurern an. Diese Leute würden niemals einen ihrer Freunde oder Gef?hrten zurücklassen. Du kannst dir also sicher sein, dass wir schon bald an die Oberfl?che und zu deinen Geschwistern zurückfinden werden.” “Wie stark sind deine Freunde denn?”, fragt mich der Junge schlie?lich mit laufender Nase. “Superstark”, erwidere ich zuversichtlich. “Ich wei?, dass es hier unten ein wenig unheimlich ist. Allerdings bin ich auch ziemlich stark und werde solange auf dich aufpassen, bis du wieder mit deiner Familie vereint bist.” “Versprochen?” “Versprochen!” “Wie heisst du?”, frage ich ihn. Der Junge scheint erst nicht so recht mit der Sprache rausrücken zu wollen. Er überwindet aber schlie?lich seine Bedenken und nuschelt mir ein Milo entgegen.
Ich krame ein Stück Brot aus meinem Inventar und reiche es Milo. Hungrig verschlingt der kleine Racker die Mahlzeit. Endlich herrscht ein wenig Ruhe um klar denken zu k?nnen. Ich inspiziere den verschütteten Durchgang, klopfe gegen die Erde und rufe nach meinen Kameraden. Meine Worte an Milo entsprechen nicht vollkommen der Wahrheit. Es besteht die M?glichkeit, dass ein Mitglied meiner Gruppe nur wenige Zentimeter von mir entfernt, unter einem Haufen Erde begraben liegt. Jedoch erhalte ich keine Antwort, was weder für noch gegen meine Theorie spricht. Zu versuchen durch diese Wand zu kommen, w?re jedenfalls Zeitverschwendung.
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Ich trete von dem Hindernis zurück und ?ffne die Gildennachrichten. Prompt erscheint vor meinen Augen folgende Nachricht.
Ein einzelnes Fragezeichen zu schicken um zu erfahren, ob ich noch am Leben bin, ist nicht gerade die freundliche Art. Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass jedes Wort 5 Mana kostet.
Drei?ig Mana für solch eine Nachricht ist in meinen Augen ziemlicher Wucher. Wenigstens habe ich, dank der Zeitangabe, nun Gewissheit, dass keine Stunden oder gar Tage seit meinem Verschwinden vergangen sind.
Die Erde zittert aufeinmal leicht und kleine Erdkrümel br?seln von der Decke. Auch Milo fallen die Steinchen auf. Jedoch realisiert er die damit verbundene Gefahr nicht. Ich würde einiges darauf wetten, dass die Ursache des Zitterns ein tobender Oger ist. Wir müssen schleunigst aus dem Tunnel raus oder riskieren verschüttet zu werden.
Ich versuche trotzdem entspannt auf Milo zu wirken. Solange der gro?e, tapfere Magier ruhig bleibt, wird auch er es sein. Zumindest ist das meine Hoffnung. Ich nehme den Jungen Huckepack und achte darauf lediglich zügig zu gehen.
Unterdessen überfliege ich die allgemeinen Gildennachrichten der jüngsten Ereignisse. Wie es aussieht ist man dabei Silberstieg zu evakuieren. Ich frage mich, ob Marco nach einer erneuten Gruppierung versucht den Oger zur Strecke zu bringen. Wir sprechen hier immerhin von Millionen von Erfahrungspunkten. Die Frage ist also, ob die vorhandenen Abenteurer qualitativ, sowie auch quantitativ für dieses Unterfangen ausreichen. Wollen die anderen Gruppierungen überhaupt Gragukh bezwingen oder begnügt sie sich mit der bisherigen Ausbeute? Zu welchen Preis k?nnte man ihre Meinung ?ndern? Lieber schlage ich mich durch unbekannte, stockdunkle Tunnel als darüber ernsthaft nachdenken zu müssen.
Die G?nge sind definitiv nicht natürlich, sondern durch Menschenhand entstanden. Ich komme vor einer Weggabelung zum Stehen. W?hrend ich überlege, welcher Weg wohl wahrscheinlicher wieder an die Oberfl?che führt, erreicht mich eine neue Nachricht von Greg.
Mir f?llt ein kleiner Stein vom Herzen. Wenigstens geht es den anderen gut. Als k?nnte das System meine Gedanken lesen, erhalte ich direkt die n?chste Mitteilung.
Hoffen wir mal das Greg mit dieser Botschaft versteht, dass Milo auch noch am Leben ist. Ich entscheide mich schlie?lich für den rechten Weg. Solange ich mich immer gleich entscheide, sollte früher oder sp?ter ein Ausgang in Sicht kommen. Wenn es nach mir ginge, dann w?re ich für die erste Option. In den n?chsten Minuten passiert es immer mal wieder, dass sich Steinchen von der Decke l?sen. Blo? nicht zuviel darüber nachdenken.
Ungl?ubig schaue ich auf den flimmernden Text. Es dauert einen Moment bevor ich realisiere, dass Kai vermutlich jener Bogenschütze ist, welcher uns alarmiert hat. Offensichtlich ist der Mann aber nicht besonders ortskundig. Soweit ich das im Moment beurteilen kann, existiert sogar ein durchaus ansehnliches Tunnelnetzwerk unterhalb von Silberstieg. Zum Glück bisher komplett unbewohnt. Kai ist Teil der Sira-Gilde und wir sind uns auch ziemlich sicher noch nicht begegnet. Er hat also keinen Grund ein hohes Tier der Gilde anzulügen. Somit wei? Kai also tats?chlich nichts von den Tunneln.
Maria hat also von meiner Situation erfahren und sich bei Kai nach unterirdischen G?ngen erkundigt. Er muss sich also in der Stadt ziemlich gut auskennen. Die Tunnel sind also entweder ein wohl gehütetes Geheimnis oder der Bev?lkerung g?nzlich unbekannt. Warum sollte auch eine Bergbaustadt über ein geheimes, unterirdisches Netzwerk an Wegen verfügen?
Ein ungew?hnliches Ger?usch rei?t mich aus meinem Gedankengang. Ich bleibe stehen und spitze die Ohren. Da ist es wieder! Das war definitiv ein Lachen. Der Laut klang zwar weit weg aber ich verspüre direkt einen kleinen Motivationsschub. Zügig bewege ich mich in die Richtung des Ger?usches. Eine Minute sp?ter erstarre ich allerdings erneut. Es gibt laut dem System nur noch einen Zivilisten in Silberstieg und dieser ruht sich auf meinem Rücken aus. Die Abenteurer sind dabei sich zu reorganisieren. Folglich gibt es nur eine Gruppe von Menschen, auf die ich hier unten sto?en werde. Das Lachen geh?rt einem Mitglied der Rimmerbande.
Was mache ich jetzt? Es ist eine rhetorische Frage an mich selbst. Die Antwort ist glasklar, aber die Konsequenzen gefallen mir überhaupt nicht. Ein Blick über meine Schulter gibt mir zumindest die Gewissheit, dass Milo tief und fest schl?ft. Ich fluche leise und gehe weiter.
Schnell wird klar, dass sich mehrere Personen unterhalten. Je n?her ich der Gruppe komme, desto verst?ndlicher wird auch das Gesprochene: “Wie weit ist es noch Roy?” “Kannst du etwa nach so einem kleinen Spaziergang schon nicht mehr?”, antwortet ihm vermutlich Roy. “Ich würde nur gerne m?glichst schnell diese Kackstadt hinter uns lassen.” “Hoffentlich hat sich der ganze Aufwand auch gelohnt.”, grunzt ein Dritter. “Bei den ganzen Frauen, die du w?hrend unseres Besuchs beglückt hast, sollte sich dieser Ausflug doch für dich bereits mehr als ausgezahlt haben.”, scherzt Roy. Der “Scherz” kommt bei seinen Kameraden offenbar gut an.
Ich balle die Faust um meinen Zauberstab. Elendige Drecksschweine! Keine Ahnung, wie nahe ich dem Trio mittlerweile bin, aber jedes Wort ist durch den Hall glasklar zu verstehen. Ich bleibe geduldig in der Dunkelheit sitzen und warte darauf, dass die Banditen weiterziehen. Aus Angst, dass man das Licht meines Manabolzens sehen k?nnte, verzichte ich aktuell auf seinen Einsatz.
Keine Ahnung inwieweit Maria etwas mit dieser Information anfangen kann. Trotzdem fühlt es sich besser an, als diese Verbrechen an die Menschlichkeit einfach im Raum stehen zu lassen. Am liebsten würde ich dieses Gesindel umgehend Bekanntschaft mit meiner Pflockfalle machen lassen. Mein Verstand h?lt diesen offenkundigen Selbstmordgedanken jedoch zurück. Alle Banditen, welchen ich bisher begegnet bin, waren Rang 2. Selbst wenn ich einen der M?nner überraschen und glücklicherweise t?ten k?nnte, w?re danach sofort Schluss für mich. Ein toter Torben bedeutet vermutlich ebenfalls einen toten Milo. Kein Risiko, welches ich bereit bin einzugehen.
Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass ausgerechnet ich nun in dieser gef?hrlichen Situation stecke. Von allen Mitglieder der Sira-Gilde verfügen ich zweifellos mit über das meiste Mana. Die vier verbliebenen Manatr?nke sollten mir genug M?glichkeiten geben um Marco und die Anderen auf dem Laufenden zu halten. Schauen wir doch mal, ob die überlebenden der Rimmerbande genauso einfach aus Silberstieg entkommen k?nnen, wie sie sich das vorgestellt haben.